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Beirut: A Study Of Losses - Vinyl-Ausgabe (Review)

Artist:

Beirut

Beirut: A Study Of Losses - Vinyl-Ausgabe
Album:

A Study Of Losses - Vinyl-Ausgabe

Medium: Do-LP/farbig
Stil:

Art-Pop, Folkpop, Singer-Songwriter, Indie-Folk, Mariachi, Neo-Klassik

Label: Pompeii Recording Co
Spieldauer: 57:28
Erschienen: 18.04.2025
Website: [Link]

„Ich habe mich nach diesem Album für immer verändert, denn jedes Thema hat mich so sehr mit seinem Hintergrund und seiner Geschichte interessiert, dass ich jetzt jede wache Stunde damit verbringe [...], Geschichtspodcasts zu hören oder mir Erklärungen zur klassischen Kunst anzuhören.“ (Zach Condon)

Wenn Geschichte Geschichten schreibt, dann ist ab sofort das hochbegabte Mastermind Zach Condon von BEIRUT nicht weit.
Ist es nicht faszinierend, wenn die Geschichten der Vergangenheit und längst verstorbener historischer Persönlichkeiten oder ausgestorbener Tierarten einen dermaßen immensen Einfluss auf einen haben, dass diese die eigene Geschichte sowie die Gegenwart und die Orientierung in Richtung Zukunft infrage stellen und alles Weitere neu beeinflussen?
Wer (hinter)fragt, ist unbequem.
Wer neugierig ist, ist unbequem.
Wer Geschichte anwendet, um nicht die gleichen Fehler in der Gegenwart zu wiederholen, ist unbequem.
Wer vorgegebene Lösungen nicht immer akzeptiert, sondern nach eigenen sucht, ist unbequem.
Wer denkt statt pariert, ist unbequem.
Doch nur der Unbequeme lernt das Denken.
Die Lauten (und Dummen sowie Skrupellosen) dagegen übernehmen die Macht – und längst dürfen wir, die über die Folgen unseres Handelns erst nachdenken, bevor wir lautstark Ansprüche stellen, diesen Salat Tag für Tag am eigenen Körper erleben. Einen Salat, den Machiavelli vor nunmehr 512 Jahren in „Der Fürst“ voraussagte und der in persona unseres derzeitigen Baron Merzhausen die deutsche Geschichte auf erschreckende Weise fortschreibt.


Schade, dass unsere Schulen stattdessen viel lieber auf die bequeme Methode des gehorsamen Mitläufers (der niemals Freidenker sein darf) setzen. Einen (Lehr-)Plan vorgekramt, ein einheitliches Bewertungssystem etabliert und den Kindern den Nürnberger Trichter aufgesetzt – und schon fällt das Bewerten leichter. So verheerend das Ergebnis im Kinderkopf, der nur noch sein Kurzzeitgedächtnis von Klassenarbeit zu Klassenarbeit einschalten braucht, auch ist. Hauptsache, das Ergebnis kann abgerechnet und in ein (digitales) Klassenbuch eingetragen werden (das dann alles selber fein berechnet und mit Durchschnittswerten ausspuckt). Denn darauf kommt es doch am Ende an: die Note/Zensur und der Durchschnitt, der dir zeigt, was du wert bist und wo du stehst. Das Leben kann doch so einfach sein – und angeblich lernt man ja in der Schule für das (durchschnittliche) Leben.
Oder doch mehr für das Funktionieren im Sinne Anderer/Lauterer?
Da stört das eigene Denken nur massiv. (Übrigens verfasst diese Zeilen gerade ein Lehrer...)
Was dabei herauskommen kann, zeigt uns die Geschichte – und zeigt uns auch BEIRUT.
Denn „So Many Plans“, die wir Tag für Tag begraben, weil sich keiner, der im Staate das Sagen hat, dafür interessiert. Nicht Wissen ist Macht. Sondern die Macht diktiert Wissen und der Dumme bzw. Erbarmungslose oder Lautstarke gibt die Richtung vor...
...und die menschlichen Kälber folgen...
...Richtung Schlachthof.


Im Falle von Zach Condon gibt es auf jeden Fall einen optimistischen wie klangvollen und zugleich aussagekräftigen Hoffnungsschimmer. Allerdings brauchen wir diesbezüglich hier nicht mehr viele Worte zu verlieren, denn das hat bereits unser hoch geschätzter und in seinen Reviews immer gehörig in die Tiefe gehender Kollege Herpell zu der CD-Version von BEIRUTs „A Study Of Losses“ in seiner umfangreichen Review bereits getan.

Nunmehr ist es allerdings an der Zeit, unbedingt noch ein paar ergänzende Worte zu der gerade erschienenen, sehr anspruchsvollen Doppel-LP-Ausgabe zu verlieren. Denn diese weist – besonders von der Gestaltung her – jede Menge Besonderheiten auf, die hier nicht unerwähnt bleiben dürfen.
Einerseits kommt sie transparent und (zum Entsetzen aller AfD-Hasser auch noch in einem ähnlichen) hellblau daher, wie eine Partei, gegen die angebliche Demokraten tatsächlich Brandmauern errichten und gar nicht begreifen, dass genau das der erste Schritt in Richtung Diktatur ist, wenn ein Teil von Volkes Stimme (übrigens etwa 10 Millionen) nicht mehr zählt und eindeutige Rangordnungen durch kranke Koalitionen ausgehebelt oder verschoben werden (wobei wir schon wieder bei Machiavelli wären).
Bei BEIRUT ist diese Farbe aber vordergründig wohl als ein Verweis darauf zu verstehen, dass alles Leben aus dem Wasser heraus entstand, wie wir es ausgiebig bereits zum Video von „So Many Plans“ wahrnehmen durften. Während alle Geschichten hinter diesem Konzeptalbum aus der anregenden Lektüre von Judith Schalanskys Buch „Verzeichnis einiger Verluste“ ihren Ursprung fanden.
Nach dem Hören von „A Study Of Losses“ sollte dieses Buch zugleich zur unbedingten Literatur-Empfehlung werden.

Sogar einen Blick ins Gesicht der großen Garbo mit altertümlichen Klängen, die auf schwebende Keyboards und hypnotischen Gesang treffen, gibt’s inklusive vom LP-Cover herab, das als Windspiel die Inhalte der Texte bildlich illustriert.


Eine weitere Besonderheit des Doppel-Vinyls ist die letzte LP-Seite, die keine Musik, sondern ein kleines gelasertes Etching-Kunstwerk von einer Art historischer Landkarte enthält. Leider rächt sich in dieser Beziehung das transparente Vinyl, da die vielfältigen Laser-Motive durch die von der anderen Seite durchscheinenden Rillen nur schwer zu erkennen sind. In diesem Falle wäre eine schwarze Vinyl-Ausgabe die bessere Wahl gewesen.

Der Vinyl-Sound dagegen ist großartig und an jeder hochwertigen Anlage ein wortwörtlicher Hochgenuss. Wobei besonders der 'Ausbrecher' des Albums, „Guericke's Unicorn“ ein wildes Klangfeuerwerk entfacht.
Zach Condon ist sich dieser Wirkung völlig bewusst, denn er stellt speziell hierzu fest: „Ich liebe es, wenn die beiden Welten aufeinander treffen; ich liebe es, wenn die Synthies auf die Ukulele und das Klavier und die Orgel und so weiter treffen. Das habe ich zum Beispiel bei 'Hadsel' sehr oft versucht. [...] Und manchmal haben sie sich irgendwie zusammengetan, und deshalb gibt es Songs wie 'Guericke's Unicorn'.“

Wer also bereits vom BEIRUT-Vorgänger „Hadsel“ beeindruckt war, der wird dieses historisch wie musikalisch und literarisch so wertvolle Konzept-Album „A Study Of Losses“ von BEIRUT lieben.
Versprochen und Hand auf's Herz!
Den Blick dabei aber immer zurückgewandt auf der Suche nach den verloren geglaubten Geschichten der Vergangenheit, die unbedingt weitererzählt werden sollten. Und zwar voller Intelligenz statt mit populistischer Lautstärke.
Nun werden sie von BEIRUT nicht nur erzählt, sondern dank der überraschenden Begegnung mit einem literarisch weniger bekannten Werk gleich auch in schönster Art vertont.


FAZIT: Selbst nach einer so begeisterten BEIRUT-Review meines Kollegen Herpell zu „A Study Of Losses“ ist es ergänzend – irgendwie typisch BEIRUT – notwendig, auch ein paar (mehr) Worte zur „A Study Of Losses – Vinyl-Ausgabe“ zu verlieren. Denn die bestätigt nicht nur die herrlich gelungene, oftmals extrem nachdenklich wirkende Musik darauf, sondern ist zugleich als eine ganz besondere Doppel-LP-Ausgabe gestaltet, indem sie bestens klingend auf transparentes, hellblaues Vinyl gepresst wurde und die letzte Seite keine Musik, sondern das gelaserte Motiv einer wohl historischen Landkarte enthält, die sich auf das Buch bezieht, welches Zach Condon zu dieser Doppel-LP anregte. Ganz große Kunst eben – in jeder Beziehung!

PS: Eigentlich Ehrensache, dass, nachdem diese Review beendet worden ist, gleich das „Verzeichnis einiger Verluste“ bestellt wurde. Kritiker-Ehrenwort!

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 140x gelesen, veröffentlicht am )

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Wertung: 13 von 15 Punkten [?]
13 Punkte
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Tracklist:
  • Seite A (20:17):
  • Disappearances and Losses (2:25)
  • Forest Encyclopedia (3:50)
  • Oceanus Procellarum (2:25)
  • Villa Sacchetti (3:27)
  • Mare Crisium (2:47)
  • Garbo's Face (3:11)
  • Mare Imbrium (2:12)
  • Seite B (19:02):
  • Tuanaki Atoll (3:23)
  • Mare Serenitatis (2:22)
  • Guericke's Unicorn (4:25)
  • Mare Humorum (2:39)
  • Sappho's Poems (2:31)
  • Ghost Train (3:42)
  • Seite C (18:09):
  • Caspian Tiger (3:59)
  • Mani's 7 Books (3:11)
  • The Moonwalker (3:48)
  • Mare Nectaris (3:43)
  • Mare Tranquillitatis (3:28)
  • Seite D:
  • Kunstgelaserte Etching-Seite

Besetzung:

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